Einige wissen vielleicht, dass ich ein kleines Blog habe, um hin und wieder einige Texte über Gott und die Welt zu schreiben, welchen ihr hier finden könnt. Ich dachte mir einfach, dass ich einige Stücke auch mal hier poste, um sie mit euch zu teilen und vielleicht findet ihr auch Gefallen daran (und postet fleißig Kommentare, das wäre echt nett! ).
Dieser Text ist sogar erst gestern Abend fertig geworden:
ZitatAlles anzeigenDer Drang zum Mitteilen
Ich gebe es offen zu: Ich bin konversationsgeschädigt. Stellt mir jemand eine Frage über persönliche Erfahrung, erwarte ich darauf, dass mir mein Gegenüber mit geschwollener Brust von den Heldentaten berichtet, über die ich wenige Sekunden vorher noch selbst gefragt wurde. Seien wir realistisch, ein normaler Beginn einer fortlaufenden Konversation sieht in etwa so aus:
Er sagt: Hast du mal X gemacht?
Er denkt: Ist mir doch sowas von scheißegal, frag mich gefälligst, ob ich schon X gemacht habe!Dass nicht jeder Mensch diese Art von Denkfehler mit sich herum schleppt (Wir tragen schließlich alle unser Kreuz), wurde mir erst vor kurzem bewiesen. Auf die harmlose Frage, ob ich dies und jenes bereits getan habe, habe ich direkt einen vorbereiteten mündlichen Aufsatz für die nächsten fünf Minuten erwartet, deren Informationsgehalt nicht nur mir, sondern auch unmittelbar jedem anderen Menschen in Umfeld dieser Person am Arsch vorbei geht. Doch zu meinem Erstaunen wurde ich eines Besseren belehrt und mir stellte sich eine Frage: Bin ich auch so ein Subjekt mit Mitteilungsdrang? Wenn Ja, bin ich denn auch ein Experte der rhetorischen Frage? Warum haben so viele Menschen eigentlich so ein ausgeprägtes Verhalten, Informationen ohne jeglichen Inhalt schnell unter die Leute zu bringen?
Und noch viel bedeutender ist die Frage: Wer interessiert sich tatsächlich noch dafür?
Klatsch und Tratsch durchzieht die Medienlandschaft, ganze Magazine und Sendeformate gefüllt mit allgegenwärtigem „Gossip“ werden produziert, um die Menschheit am laufenden Band darüber zu informieren, wie Paris Hilton wieder einmal ihre räudige Schote in die Kamera hält oder Dieter Bohlen eine neue Spielgefährtin für sein Bett gefunden hat. Und wir müssen es wissen, um es zu wissen, damit wir uns am Leben beteiligen und uns dafür interessieren, egal wie hirnverbrannt und völlig unnütz diese Informationen (oder geschmacklosen Bilder) doch sein mögen. Denn wer in einer mediengesteuerten Welt wie dieser dazu gehören will, muss wissen, wie es in solch einer zugeht. Der Einzelne ist unwichtig, alle müssen das Gleiche wissen, denken und sagen. Ein beständiger Informationsaustausch zwischen den Leuten über ihr Umfeld, als auch das Leben sogenannter „Prominente“. Kollektiver Individualismus, wenn man so will.
Schon oft wurde bewiesen, dass das „Tratschen“ ihren Ursprung schon aus der Zeit hat, in welcher schlecht sitzende Frisuren, Pelzmäntel und sehr viel nackte Haut noch kein Modetrend war – die Anfänge der Menschheit. Denn während die Männer oft tagelang auf der Jagd waren, kümmerten sich die Frauen in den heimischen Höhlen um den Nachwuchs und das Essen. Zudem oblag ihnen die Aufgabe, aufeinander aufzupassen und ihre Wohnumgebung vor Eindringlingen und wilden Tieren zu schützen. Und was taten die Frauen am abendlichen Feuer, als sie gespannt auf ihre Männer warteten? Richtig, sie tauschten sich untereinander aus, erzählten sich Geschichten und klärten die anderen Frauen über ihr Umfeld auf.
Und an diesem Prinzip hat sich seit Jahrtausenden nichts verändert. Vielleicht sollte man sich also nicht beschweren, dass das Tratschen in letzter Zeit unerträglich wurde, sondern darüber, dass es so etwas schon seit Urzeiten gab.Trotzdem: Seitdem das Internet immer mehr aufblüht, gelangen Informationen noch schneller an den Wissbegierigen, als noch vor zehn Jahren. Und wenn man gerade nicht dabei ist, Dinge zu erfahren, versucht man anderen Leuten ein Gespräch aufzuzwingen. Ich gebe ein weiteres Mal zu: Ich hasse Smalltalk. Weder besitze ich das Talent dafür, solch eine Konversation dieser Art wirklich fortzuführen, noch habe ich die Fähigkeit, etwas derart sinnloses anzufangen. Aber wenn man erst einmal drin steckt, gibt es kein Entkommen und man unterhält sich darüber, wie unglaublich schön und warm das Wetter in letzter Zeit ist, während man Shirt- und Shorttragend versucht, sein Eis vor der Verflüssigung zu verspeisen und ergibt sich weiterhin dem Offensichtlichem, dass das Wetter unglaublich schön ist. Ich wette, solche Leute stammeln kurz bevor sie den Löffel abgeben noch ein kurzes „Das ist es also, ich werde sterben“ vor sich her, um auch ja das Alleroffenkundigste zu betonen!
Ich halte es in dem Fall wie Ford Prefect in Douglas Adams „Das Restaurant am Ende des Universums“.
Seine erste Theorie war folgende:„Wenn die menschlichen Wesen ihre Lippen nicht andauernd bewegen, rosten wahrscheinlich ihre Münder ein.“
Seine zweite, noch wesentlicher logischere und realistischere, Theorie war:
„Wenn die menschlichen Wesen nicht andauernd ihre Lippen bewegen, fangen ihre Gehirne an zu arbeiten.“Ich glaube, er hatte sogar Recht. Ein Punkt ergibt sich daraus auch für mich: Meine Verschwiegenheit bedeutet, ich denke viel nach. Ob das nun allerdings ein Vorteil für mich oder meine Umwelt ist, sei dahin gestellt.
Aber vielleicht ist es gar nicht mal verwerflich, wenn einige Leute zumindest versuchen, sich auf recht ungeschickte Weise zu unterhalten. Manchmal glaube ich, wir reden zu wenig mit unserem Umfeld. Ist es nicht schon so, dass wir in einer apathischen Welt leben, in der sich jeder selbst am nächsten ist? Wir kapseln uns ab, vermeiden den Kontakt zu anderen, mit der Begründung, dass einem die anderen Menschen doch nur auf den Zeiger gehen. Und wohl aus dem Grund, dass man die anderen Leute einfach auf den Tod nicht sehen kann, fängt man selbst an, mit finsteren Blicken und heruntergezogenen Mundwinkeln durch die Gegend zu streifen. Wie paradox.
Das beste Beispiel dafür sind wohl diejenigen, die nicht ohne ihren MP3-Player aus dem Hause gehen und immer und überall mit Stöpsel im Ohr zu sehen sind um so eine akustische Wand um sich herum aufzubauen, die bloß niemand durchdringen soll, damit der quälende Weg in der großen, weiten Welt erträglich wird, bis man wieder zu Hause, in den geschützten, eigenen vier Wänden sitzt und sich ungestört wohl fühlen darf.
Oft sind es dann diejenigen, die nichts mit dem Rest der Welt zu tun zu haben wollen, welche dann ohne Sinn und Verstand das Internet vollkritzeln und ihre Profile in diversen sozialen Netzwerken bis zum Zeichenlimit ausreizen. Abgesehen davon, dass es immer einige kranke Spinner gibt, die mit Vorliebe ihre voyeuristische Ader, indem sie Profil und Bilder begaffen, ohne Behinderungen ausleben können, ist es deprimierend, Menschen und ihre Des-/Interessen auf eine ernüchternde Weise zu erfahren, indem man sich einfach durchliest was sie über sich selbst zu erzählen haben.
Doch mit der ausufernden Selbstbeweihräucherung ist es noch längst nicht getan. So gut wie jedes Netzwerk beinhaltet die Funktion, einen Status zur aktuellen Verfassung zu schreiben, der auf wenige Zeichen begrenzt ist. Twitter für Arme also. Wir alle kennen doch Personen mit einem geltendem Mitteilungsbedürfnis (schöne Überleitung, ich weiß), welche diese Funktion nur auf die Weise missbrauchen, völlig sinnlose Nachrichten zu verfassen, damit auch wirklich jeder Vollidiot erfährt, dass irgendwas nicht in Ordnung sein muss. Das sieht dann in etwa so aus:
[14.17] Chantal: mir geht’s voll scheiße…
[14.25] Chantal: mir geht es wirklich total scheiße!!!
[15.01] Chantal: wann hört dieser beschissene tag endlich auf?????? -.-
[15.36] Chantal: wenn das so weita geht, bring ich mich noch i-wann um hier....
[16.17] Chantal: Es geht einfach nich mehr schlimmer -.-“
Und wenn man dann, überflutet von suizidalen Bemerkungen nachfragt, was nun eigentlich der Sinn der ganzen Aktion ist, kommt so etwas trotziges wie:
„Ach, das verstehst du doch eh nicht …“Nachdem diese weltbewegende Sache ganz nach dem Vorbild von CSI aufgeklärt wurde, denke ich nur noch an eines: Irgendwann werde ich berühmt und reich werden, nachdem ich ein Gerät erfinde, was einem ermöglicht, Leute durch die Internetverbindung ein Jagdmesser zwischen die Augen zu rammen.
Abseits jedes mordverdächtigen Gedanken jedoch plädiere ich für eine bessere Welt. Eine Welt, in der man aufsteht, auf einander zu geht und voneinander lernt. Eine Welt, in der man Konversationen nicht mehr scheut. Ja, sogar eine Welt, in der man sich auch ab und zu gegenseitig bestätigt, wie schön doch das Wetter ist. Sogar eine Welt, in der man sich nicht zu fein ist, einfach mal zu lächeln. Nicht zuletzt gilt laut bosnischem Sprichwort der Satz: „Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln“. Aber das interessiert ja eigentlich doch niemanden.
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