Saphir stellt sich vor
Ich liege hier im Gras, geniese den schönen Duft der Blumen um mich herum. Wie schön doch diese Welt geworden ist, aber das war nicht immer so.
Wenn ich mich vorstellen dürfte, mein Name ist Saphir und ich wurde in einer Zeit geboren, wo Unsterbliche und Sterbliche nicht friedlich nebeneinander leben konnten. Daher möchte ich euch meine Geschichte erzählen.
Diese Geschichte wird von Trauer, Krieg und einer total zerstörten Welt handeln, aber auch von Liebe, Freundschaft und Glück. Vielleicht erstmal noch kurz zu mir.
Ich bin 17 Jahre alt, habe schwarze, schulterlange Haare und blaue Augen, bin 180 cm groß. Den Rest erfahrt ihr durch meine Erzählung.
Das Leben beginnt
Am 06.06.1990 um 06:06 Uhr wurde ich in einem kleinen Dorf namens Lunaria geboren. Der Krieg ging zu dieser Zeit gerade erst los. Meine Mutter war auf der Flucht und brachte mich und meine beiden Geschwister jeden in einer anderen Familie unter. Ich wuchs also bei Pflegeeltern auf. Meine Pflegeeltern waren Tante Lilly und Onkel Chuck. Natürlich waren sie nicht meine Tante und mein Onkel, aber ich nannte sie so und sie werden es auch immer für mich bleiben. Schon von Klein auf konnte ich kein kaltes Wasser, keine Eiswürfel, keine Eiscreme und vieles mehr, was sehr kalt war nicht ausstehen. Das war sehr verwunderlich, denn kein anderes Kind reagiert so.
Meine ersten 5 Lebensjahre verbrachte ich in der Stadt Solis. Es war eine wunderschöne Stadt, viele Läden, wunderschön gebaute und verzierte Häuser und einen großen Kirchenturm. In Solis war der Krieg zu dieser Zeit noch nicht angekommen, die Stadt blieb verschont. Doch am 16.07.1995 vielen auch hier die Unsterblichen ein. Sie schickten Dämonen. Einige von ihnen hatten lange dünne Beine und Hände und liefen auf allen vieren, andere hatten riese fledermausartige Flügel, aber alle hatten sie lange Krallen und spitze Zähne. Onkel Chuck und Tante Lilly packten nicht mal ihre Sachen. Wir liesen alles stehen und liegen und versuchten aus der Stadt zu entkommen. Überall hörte man Schreie, die Leute versuchten verzweifelt den Dämonen zu entkommen. Onkel Chuck trug mich auf dem Arm. Sie rannten. Die Dämonen mit den Fledermausflügeln stießen von Oben herab und schnappen sich einige Kinder und flogen mit ihnen fort. Weinende Frauen schrieen ihnen hinterher, einige brachen zusammen. Ihre Männer versuchten sie mit tränenunterlaufenen Augen wegzuziehen, ohne Erfolg. Die anderen Dämonen rannten teilweise an den Wänden entlang. Sie stürtzen sich auf Männer und Frauen und zerrissen sie mit ihren Krallen. Einige Dämonen tranken sogar das Blut. Ich schloß die Augen und hörte nur noch die Schreie und die weinenden Frauen. Mein Onkel packte mich noch fester. Er rannte und rannte, meine Tante immer dicht dahinter. Wir schafften es tätsächlich aus Solis heraus. Die Schreie verstummten langsam und nach einer Weile setze mich Onkel Chuck ab. Tante Lilly standen die Tränen in den Augen und Onkel Chuck umarmte sie und versuchte einige beruhigende Worte zu finden.
Mir war das alles noch gar nicht so bewusst. Ich schaute mich um. Wir standen mitten auf einer total vertrockneten Wiese, bei jedem Schritt staubte der Boden. Ein Baum stand etwas weiter entfernt, er hatte nicht mal mehr Blätter. Onkel Chuck hatte meine Tante etwas beruhigt. Er kniete sich zu mir herunter: "Ist alles in Ordnung Saphir?" Ich sagte nichts, starrte ihn nur an und verstand gar nicht, warum er mich das fragte. "Komm Saphir, wir gehen nach Corvus. Dort wohnt ein guter Freund von mir. Er wird uns sicher aufnehmen." Er nahm mich an die Hand und legte den anderen Arm um meine Tante Lilly und wir gingen los. Wie weit es war oder wo genau wir überhaupt hingingen wusste ich nicht, aber ich war glücklich, dass meine Tante und mein Onkel bei mir waren.
Auf dem Weg nach Corvus
Wir liefen schon eine Weile, die Sonne stand hoch am Himmel und mir war ziemlich warm. Meine Füße konnten mich kaum noch tragen und durstig war ich auch. "Wie weit ist es noch Onkel Chuck?" fragte ich jammend. Er sagte darauf nur: "Nicht mehr weit, dann kommen wir zu einem Dorf." Immerhin ein Dorf, nicht Corvus, aber im Moment war mir jedes Ziel recht, hauptsache nicht mehr laufen.
Nach einiger Zeit kamen wir in dem Dorf an. Es war nicht gerade der schönste Platz, aber es gab Essen und Trinken und eine Unterkunft würden wir sicher auch finden. Der Krieg war hier scheinbar auch schon durchgezogen. In einigen Häusern waren in Wänden und sogar Dächern Löcher. Viele hatten nicht mal mehr Fenster. Mir machte der Anblick Angst und ich nahm mit einer Hand die Hand meines Onkels und mit der anderen die meiner Tante. Wir fanden ein Hotel und Onkel Chuck fragte, was eine Nacht mit Abendessen und Frühstück kostet. 20 Sera kostete ein Zimmer und je Essen zahlte man nochmal 5 Sera dazu. Sera ist Währung auf unserem Planeten, ein Sera entspricht etwa 0,80 Euro. Mein Onkel nahm das Zimmer. Endlich konnte ich mich ausruhen. Ich schlief schon sehr bald ein. Zum Abendessen weckte mich Tante Lilly. Wir gingen in den Speisesaal des Hotels und aßen und tranken soviel wir konnten. Meine Tante erzähle mir, dass Onkel Chuck einen Kutscher gefunden hatte, der uns nach Corvus fahren würde. Ich war begeistert, endlich nicht mehr laufen.
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, brachen wir auf. Der Kutscher war sehr freundlich. Er hatte dunkelbraune, kurze Haare, braune Augen und hatte eine blaue Weste an. Seine Hose war auch blau. Ich fand er sah sehr freundlich aus. Wir stiegen ein. Unterwegs schlief ich ein, aber Onkel Chuck weckte mich als wir ankamen. Corvus war ebenfalls ein kleines Dorf, aber nicht so mitgenommen vom Krieg, wie das Vorige. Im Gegenteil, die meisten Häuser sahen sogar fast aus wie neu. Tante Lilly nahm mich an die Hand und wir gingen schnellen Schrittes durch das Dorf. Onkel Chuck blieb schließlich vor einem weißen Haus mit blauem Dach stehen: "Hier wohnt mein Freund Malek." Er klopfte und tatsächlich machte uns ein Mann mit blonden Haaren und blauen Augen auf: "Chuck, wie schön dich zu sehen. Habe dich ja lange nicht mehr gesehen und das muss der junge Saphir sein, von dem du mir schon so viel erzählt hast. Hallo mein Kleiner." Ich konnte es nicht ausstehen, wenn man mich klein nannte. Zwar war ich erst 5, aber für mein Alter schon recht groß. Er winkte uns zu sich rein. Tante Lilly zog mich hinter sich her.
Das Leben bei Malek
Schon seit 3 Tagen wohnten wir bei Malek. Mir war ziemlich langweilig und das Gerede von ihm ging mir echt auf die Nerven. Schließlich sagte Onkel Chuck, dass ich doch etwas raus gehen soll und mit anderen Kindern etwas spielen soll. Endlich mal eine gute Idee. Nicht weit weg vom Haus spielten auch schon einige Kinder. Ich ging zu ihnen und fragte, ob ich mitspielen kann. Sie nickten und wir stellten uns kurz vor. Wir spielten verstecken und fangen. Nach 5 Runden war ich Sucher und Fänger, ich zählte 3mal bis 10. Weiter konnte ich noch nicht zählen. Dann ging es los, es war irgendwie sehr leicht. Ich konnte genau hören, wo sich wer versteckt hatte. Die anderen Kinder staunten, wie schnell ich sie alle hatte. Einer von ihnen, Mark hieß er, beschimpfte mich als Schummler. Ich wurde wütend und sagte, dass das nicht stimmte. Schließlich wurde ich so sauer, dass ich ihn anbrüllte und plötzlich ging er ein paar Schritte zurück und die anderen Kinder auch. "Er hat rote Augen, er hat rote Augen!" riefen sie alle durcheinander und zeigten auf mich. Ich hatte doch keine roten Augen, ich habe blaue. Was wollen die denn von mir? Ich drehte mich um und rannte nach Hause.
Zu Hause angekommen, erzählte ich das Ganze unter Tränen Onkel Chuck, Tante Lilly und Malek. Onkel Chuck gab mir ein Glas kaltes Wasser. Wie ich schon erwähnt hatte, konnte ich kalte Sachen überhaupt nicht leiden, aber Onkel Chuck sagte, ich müsste das trinken. Tat ich dann auch. Ich beruhigte mich nach kurzer Zeit wieder und Onkel Chuck meinte, dass ich mit diesen Kindern nicht mehr spielen sollte. Kurze Zeit später baute ich mit ein paar Holzbausteinen kleine Türme. Am Abend ging ich nach oben in mein Zimmer, um zu schlafen. Ich wurde etwas später wieder wach, weil sich lautstark jemand unterhielt. Als ich genauer hinhörte stellte ich fest, dass es Onkel Chuck und Malek waren, aber sie unterhielten sich nicht nur, sie stritten. Vorsichtig machte ich die Tür auf und schlich die Treppe ein paar Stufen nach unten, um sie besser hören zu können. Es ging scheinbar um mich, denn ich hatte meinen Namen herausgehört. Ich strengte mich an, um noch mehr zu verstehen. Malek sprach gerade: "Er ist ein Unsterblicher, er wird uns in enorme Schwierigkeiten bringen. Warum hast du mir das verschwiegen?" "Saphir ist doch noch ein Kind. Er kann doch auch nichts dafür von wem er abstammt. Wir werden das schon geheimhalten", versuchte Onkel Chuck ihn zu beruhigen. Ich bin ein Unsterblicher? Wer sind dann meine Eltern und warum haben sie mich hier zurück gelassen? Mir schoß so vieles durch den Kopf und ich hatte Angst. Angst um Onkel Chuck und Tante Lilly, denn was wäre denn, wenn sie wegen mir in Schwierigkeiten wären. Noch eine ganze Weile stand ich wie erstart auf der Treppe, dann ging ich zurück in mein Zimmer, legte mich auf mein Bett und starte an die Decke.
Ich sprach Onkel Chuck und Tante Lilly nie darauf an. Immerhin hätte ich es ja gar nicht hören dürfen. Die Zeit verging und ich spielte nie wieder mit den Kindern in Corvus. Tante Lilly und Onkel Chuck versuchten mich immer bei Laune zu halten und mit der Zeit hatte ich mich auch daran gewöhnt. Wir hatten nun schon den 14.07.1998. Ich war also bereits 8 Jahre alt und mein Leben war zu diesem Zeitpunkt noch ok.
Tag des Grauens
Genau an diesem Tag, den 14.07.1998 sollte mein Leben sich auf grauenvolle Weise ändern. Es war noch früh am Morgen, Tante Lilly ging mit mir auf dem Markt einkaufen. Die Sonne schien und es sah aus, als würde es ein wunderschöner Tag werden. Meine Tante kaufte an einem Obst- und Gemüsestand ein paar Äpfel, einen Salat und verschiedene Kräuter. Ich weiß das noch so genau, weil ich diesen Tag niemals vergessen werde. Sie bezahlte und wir wollten weiter.
Plötzlich hörten wir Schreie hinter uns. Sie kamen aus der Richtung, in der auch Maleks Haus stand. Wir drehten uns um, damit wir sehen konnten, was los war. Eine Frau kam angerannt mit einem total zerfetzten Arm, das Blut lief nur so herunter. Die Frau stütze sich dann an einer Hauswand ab und brach schließlich zusammen. Niemand half ihr. Im Gegenteil sogar, die Anwesenden rannten chaotisch los. Tante Lilly stand da wie erstarrt, aber wo schaute sie hin? Dann sah ich es auch. Es brannte, Maleks Haus brannte. Meine Tante rannte ohne ein Wort zu sagen einfach los, los Richtung Haus. "Tante Lilly", rief ich hinterher, "Tante Lilly!" Sie hielt nicht an, ich versuchte Schritt zu halten und rannte ihr hinterher. Ich hatte Angst, Angst um Onkel Chuck, Angst Tante Lilly aus den Augen zu verlieren und Angst das wieder Dämonen kamen. Am Haus angekommen sah ich weder Onkel Chuck noch Malek. Die Flammen schoßen nur so in die Höhe, das Haus krachte langsam zusammen. Tante Lilly rief immer wieder: "Chuck! Chuck! Kannst du mich hören?" Aber nichts, kein Lebenszeichen, keine Antwort, einfach nichts. Ich wusste nicht, was ich tuen sollte. Das Einzige was ich tat war, regungslos da stehen und auf das Feuer starren. Ich zuckte zusammen, als ich das raue Gebrüll von Dämonen hörte. Da war aber noch ein anderes Geräusch, ich konnte hören, wie sie die Krallen in Stein schlugen, Schritt für Schritt. Sie kamen näher. "Tante Lilly, Tante Lilly", rief ich immer wieder und schaute in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Aber meine Tante reagierte nicht. Sie war inzwischen auf den Boden gesunken und weinte. Ich konnte überhaupt nichts tun. Die Dämonen kamen, sie schoßen in einem rasendem Tempo an mir vorbei und fielen über meine Tante her. Sie schrie! Ich musste mit ansehen, wie die Dämonen mit ihren langen Krallen meine Tante Lilly einfach so zerfetzten. Diesen Moment werde ich nie vergessen, wie sie schrie, wie die Krallen durch ihren Körper hindurch fuhren, wie das Blut floß und spritzte und wie die Dämonen sich das Blut von ihren Krallen leckten. Ich glaube ich war ganz bleich, jedoch rührte keiner der Dämonen mich an. Sie beachteten mich nicht einmal. Es kam mir vor, als stände ich dort eine Ewigkeit. Ich weiß nicht wie lange, aber als ich endlich wieder zu Sinnen kam, rannte ich einfach los. Einfach irgendwo hin, ich schaute nicht einmal auf das, was um mich herum passierte. Ich hörte nicht die Schreie und hätte auch nicht gemerkt, wenn jemand hinter mir her gerannt wäre. Mir war einfach alles egal.
Als ich schon eine Weile aus der Stadt raus war, blieb ich schließlich mitten in einem Wald stehen. Mir liefen die Tränen am Gesicht herunter. Ich versuchte nicht einmal sie wegzuwischen. Meine Beine konnten mich nicht mehr tragen, ich sank auf die Knie. "Warum? Warum ich?" schrie ich in einer Lautstärke, die kein Sterblicher jemals hervorbringen könnte. Der ganze Wald bebte und auch einige Äste vielen herunter. Ich verstummte und versuchte mich langsam zu beruhigen.