- Offizieller Beitrag
Gestern wurde Atari 40 Jahre .... oder sagen wir besser die Marke Atari. Immerhin ist das Atari von damals schon lange tot. Viel interessanter aber der Artikel im Spiegel; ein Artikel der etwas anderes Art. Gelesen haben sollte man den unbedingt entweder durch den Klick hier: 40 Jahre Atari
Oder (falls der dort mal verschwinden sollte) auch hier kopiert
Intrigen, Ideenklau und Ausbeutung prägten die Entstehung der Digitalbranche von heute. Drastisch zeigt das die Geschichte der Marke Atari. Eine Geschichte über Cowboys, Abzocker und nützliche Idioten.
Am 27. Juni wird die Marke Atari 40 Jahre alt - das eigentliche Unternehmen Atari existiert schon lange nicht mehr - und ihre Geschichte reflektiert die Geschichte dieser Branche: Vom wilden Westen mit Cowboys, Schamanen und Scharlatanen über Phasen erbarmungsloser Konsolidierung bis hin zu einer Gegenwart, die überwiegend nicht mehr von Unternehmern mit übergroßen Egos, sondern von leitenden Angestellten und blassen, aber schlauen Burschen dominiert wird.
Am 27. Juni 1972 wurde das Unternehmen Atari gegründet, fraglos die Keimzelle der gesamten Videospielbranche von heute. Gartner zufolge setzte die Industrie im Jahr 2011 über 70 Milliarden Dollar um. Zu verdanken hat sie ihre Existenz rücksichtslosen Männern wie Nolan Bushnell. Bushnell, einer der beiden Gründer von Atari, ist auf den wahren Erfinder der Videospielkonsolen, den Ingenieur und Bastler Ralph Baer, bis heute nicht gut zu sprechen.
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Die Atari-Gründer verdienten mit den Ideen anderer
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Fakt ist aber, dass Baer "Pong" erdachte, bevor Bushnell daraus den ersten erfolgreichen Spielautomaten der Welt machte. Auch Ataris erster Versuch, mit einem Münzspielautomaten Geld zu verdienen, basierte auf einer geklauten Idee: "Computer Space" lehnte sich an "Spacewar!" an, das die wahren Erfinder des Computerspiels, ein paar Nerds mit Zugang zu einem Großrechner am Massachusetts Institute of Technology schon in den Sechzigern entwickelt hatten. Aber weder die Uni-Hacker noch der Bastler Baer waren eben in der Lage, aus ihren Ideen Geld zu machen. Bushnell schon. "Atari" ist ein Begriff aus dem Go. Er bedeutet ungefähr so viel, wie wenn jemand im Schach "Schach" sagt.
Es begann eine Kette der gegenseitigen Ausbeutung und ziemlich übler Tricksereien, an deren Ende aber immer wieder erfolgreiche Produkte herauskamen. Bushnell beauftragte beispielsweise einen jungen, dürren, manchmal komisch riechenden Atari-Mitarbeiter namens Steve Jobs mit der Entwicklung eines neuen Spielautomaten: "Pong" für einen Spieler, mit Ziegelsteinen zum Wegschießen. Jobs wiederum beauftragte seinen Kumpel Steve Wozniak mit der Entwicklung eines möglichst sparsamen Chipsatzes. Jobs lieferte Chipsatz und Spiel, Bushnell ignorierte den Chipsatz, nahm das Spiel und zahlte viel zu wenig. Jobs reichte seinerseits nur einen Bruchteil des Bonus an Wozniak weiter, der doch die eigentliche Arbeit gemacht hatte. "Breakout", das so entstandene Produkt, verkaufte sich allein als Spielautomat 15.000-mal. Als Spiel in unterschiedlichsten Inkarnationen existiert es bis heute.
Ataris Unternehmenskultur sei sehr hippie-esk gewesen, wird kolportiert, an den Produktionsstraßen habe es oft nach Marihuana gerochen und bis heute hält sich das Gerücht, bei den Vorstandssitzungen sei schon mal LSD konsumiert worden - Nolan Bushnell bestreitet das nachhaltig. Auf der Business-Ebene jedenfalls war das Unternehmen genauso knallhart wie etwa ein Automobilhersteller.
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Holzimitat-Optik und ein futuristischer Joystick
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Und genauso wie die Automobilbranche schuf Atari Ikonen. Den Joystick zur Heimkonsole 2600 etwa, mit quadratischen Fuß, konzentrischen Gummiringen um den Stick und rotem Feuerknopf, seltsam futuristisch neben der Konsole selbst mit ihrer Holzimitat-Optik. Bushnell verließ zu dieser Zeit das eigene Unternehmen schon wieder - der Rücksichtslose war von noch rücksichtsloseren Investoren aus der eigenen Firma gedrängt worden.
Als die Videospielbranche im Jahr 1984 nach einem beispiellosen Aufstieg mit Wucht gegen die Wand fuhr, was viel mit dem Aufkommen des Heimcomputers zu tun hatte, sah es für Atari auf einmal schlecht aus. Als Retter kam ausgerechnet ein anderer Cowboy-Unternehmer daher, der eben erst selbst aus seinem eigenen Unternehmen gedrängt worden war: Commodore-Gründer Jack Tramiel. 1983 hatte Commodore über eine Milliarde Dollar umgesetzt - für die damals immer noch junge Branche eine Menge Geld - und dreimal so viele Commodore 64 verkauft wie Jobs' Firma Apple-II-Computer.
Dieses Faktum ist, wie so viele in dieser Branche, mittlerweile beinahe einer kreativen Geschichtsumschreibung zum Opfer gefallen, die Apple als Erfinder des Rechners für zu Hause darstellt. Trotz seiner Erfolge aber wurde Commodore-Gründer Tramiel, KZ-Überlebender, Kriegsveteran, Zigarrenraucher und legendärer Choleriker, von seinem eigenen Vorstand vor die Tür gesetzt. Tramiel nahm sein beträchtliches Vermögen und kaufte die Heimcomputer- und Konsolensparte von Atari.
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Glaubenskriege um Atari ST und Commodore Amigas
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Wenige Jahre später war aus dem Spielkonsolenhersteller der zweite Gigant des Heimcomputermarkts geworden, zwischen den Besitzern von Atari-ST-Rechnern und Commodore Amigas wurden erbitterte Glaubenskriege ausgetragen, wie man sie heute von PC- und Apple-Fans kennt. Auch daran hat sich wenig geändert: Während hinter den Kulissen Blut fließt und Messer in Rücken landen, beschränkt sich das Publikum auf die oft fanatische Identifikation mit dem Produkt.
Die späte Geschichte der Marken Atari und Commodore gleicht sich auf tragische Weise: Beide Unternehmen scheiterten schließlich, weil sie die PC-Revolution verschliefen. Atari versuchte sich Anfang der neunziger Jahre noch einmal an einer Spielkonsole namens Jaguar, die sich als kostspieliger Flop erwies, und auch Commodore brachte ein paar fürs Spielen gedachte Spezialversionen seiner Rechner heraus, die keiner mehr haben wollte.
Die straff geführten japanischen Konzerne Sony und Nintendo, ganz und gar un-unternehmerhafte Firmen, übernahmen den Markt für Videospiel-Hardware. Der Markt für Computer-Hardware zersplitterte, einzig Apple gelang es schließlich, sein Markenimage vor der Vernichtung zu bewahren. Die Marken Commodore und Atari wurden verkauft und wieder verkauft. Heute ist Atari der Name eines einst französischen Videospielherstellers, der früher Infogrames hieß. Ein Unternehmen namens Commodore baut heute wieder Computer - die so aussehen wie der 64er von damals. Der Retro-Markt als Gnadenhof.
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Zuckerberg, Page und Brin sind Streber, keine Cowboys
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Im Silicon Valley regieren heute keine Zigarrenraucher mehr, sondern Manager, Investoren und Gründer wie Mark Zuckerberg, Larry Page und Sergey Brin. Superschlaue junge Männer, die direkt von der Uni ins Business kamen. Streber, keine Cowboys. Jack Tramiel und Steve Jobs sind tot, Nolan Bushnell plant immer noch jedes Jahr ein neues Unternehmen, erfolgreich war schon lange keines mehr davon.
2010 trat er dem Aufsichtsrat des Unternehmens bei, das jetzt Atari heißt, und erklärte, er sei "sehr froh, wieder die Bekanntschaft von Atari zu machen, zu einem Zeitpunkt, da das Unternehmen interessante Schritte in Schlüssel-Wachstumsbereichen der Spielebranche vorhat". Tatsächlich schrumpfen Ataris Umsätze Jahr für Jahr, für das Geschäftsjahr 2010/2011 waren es gerade mal 57 Millionen Euro. Einer der meistheruntergeladenen Atari-Titel im Jahr 2012 ist eine App für iPhone und iPad: "Breakout Boost".
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Die Geschichte mal aus dieser Perspektive zu erzählen, finde ich echt mal amüsant und genial.
Ich glaube, das könnte man auch bei so ziemlich jedem anderen Hersteller gleich tun. Heute wird doch auch alles nur noch geklaut, kopiert und bis zum letzten wieder neu auf den Markt geschmissen. Insofern: Happy Birthday Atari!